November 2014
Vor 57 Jahren im Herbst 1957
Modernste Dampfloks der DB kommen aus Esslingen
Vor genau 57 Jahren, im Herbst 1957 lieferte die Maschinenfabrik Esslingen 4 Loks der damals modernsten Dampflok-Baureihe 23 aus Mettingen an die Deutsche Bundesbahn. Die jeweils 131 Tonnen schweren, 110km/h schnellen und 1785PS starken Loks mit den Betriebsnummern 23 077 bis 23 080 entstammten einer Serie von 105 Lokomotiven, die verschiedene Lokfabriken fertigten. Da seit dem Zusammenschluss der Länderbahnen zur Deutschen Reichsbahn nach dem ersten Weltkrieg per Gesetz die Lokfabriken im Süden Deutschlands nur mehr kleine und kleinste Anteile von den Bestellungen der Staatsbahn bekamen, war auch dieser Auftrag von nur 4 Lokomotiven wohl alles andere als ein Gewinngeschäft für die ME. Halbwegs gerechnet dürfte er sich nur deswegen haben, weil die ME nicht nur die 4 kompletten Loks fertigte sondern als Untervergabe von Krupp bereits 1955 für 12 Loks dieser Baureihe die Rahmen, Zylinder und Tender fertigte und nach Essen zulieferte – so waren wenigstens nicht alle Werkzeuge und Vorrichtungen für die 4 Loks neu zu machen. Dass hier "im Verbund" mit dem Essener Auftrag gearbeitet wurde zeigen auch die diversen innerbetrieblichen Aufzeichnungen, bei denen zu den Fabriknummern 5205 bis 5208 das Fertigungsjahr 1956 genannt wurde. Trotz dieser Verbundfertigung war der gesamte Lokbau der ME im Jahr der Ablieferung der 23er bereits defizitär und machte im Lieferjahr der 4 Esslinger 23er mit ca. 9 Mio DM nur etwa 10% vom Gesamtumsatz der ME aus. Gut 1 Million DM davon dürfte in dem Jahr aus dem Verkauf der 4 Maschinen stammen.
Die 4 komplett in Esslingen gebauten Loks wurden von der Deutschen Bundesbahn alle im damaligen Ausbesserungswerk Esslingen neben der Pliensau-Brücke abgenommen. Nach ihren Probefahrten, die sie nach Freudenstadt und Tuttlingen führten, verließen sie ihre Württembergische Heimat und begannen ihr Karriere im hohen Norden in Oldenburg und Krefeld. Anfangs fuhren sie vor Schnell- und Eilzügen, bevor sie im Rahmen des Strukturwandels, nur mehr vor Personenzügen fahrend, in den Jahren 1971 bis 1975 ausgemustert wurden. Am längsten hielten die erste und letzte des Quartetts durch, die dann in Saarbrücken ihre Laufbahn beendeten.
Die geringe Einsatzzeit von nur 14 bis 18 Jahren war sicher nicht ein Zeichen mangelhafter Qualität der Fahrzeuge aus Esslingen, die mit Mischvorwärmer und schmierölsparenden Rollenlagern mit zum modernsten gehörten, was der Dampflokbau seinerzeit hervorbrachte. Mit der 23 058 existiert bei der Eurovapor in der Schweiz heute noch eine der mit ME-Rahmen- und ME-Tendern bei Krupp in Essen gebauten Loks, die somit bereits über 50 Jahre in Betrieb steht. So viel zur Qualität aus Esslingen.
Herr Ulrich Budde aus Mülheim/Ruhr sowie die Herren Bruno Georg aus Betzdorf sowie Karl-Hans Fischer aus Koblenz haben uns dankenswerterweise einige Aufnahmen der 4 schwäbischen Schwestern zur Verfügung gestellt, die wir neben 2 Werksaufnahmen aus der ME gerne zeigen.
Quellen (u.a.):
- Archiv des FVME
- Firmenunterlagen und Geschäftsberichte der ME
- Ebel,J. Die Neubau-Dampfloks der DB, Kohlhammer-Verlag Stuttgart (1984)
- Merkbuch Schienenfahrzeuge - Dampfloks - DV939a (1953)
- http://www.dampflokomotivarchiv.de