Juli 2014
CO2 Emmissionen der Dampftraktion
Autor: Georg Kurtz
Das erstaunliche Ergebnis gleich vorneweg:
In einem Dampfzug fährt ein Passagier auf dem Niveau der EU-Verbrauchsvorschrift für Pkw ab 2021!
Wie hat denn der FVME nun das berechnet...?
Das technische Bureau hat hierfür natürlich keine aufwendiges Simulations-Tool eingesetzt, sich jedoch bereits nennenswert vom Rechenschieber wegbewegt.....A propos Rechenschieber – wer kann damit noch umgehen? So schnelllebig ist die Zeit......
Und genau das ist das Ziel der Arbeiten – nein, nicht der Rechenschieber, sondern trotz der Schnelllebigkeit der Zeit eine durchgängige Bewertungsmöglichkeit für den Verkehr auch auf den Betrieb mit Dampfloks auszuweiten. (Später ist geplant, auch andere Traktionsarten zu ergänzen)
Um das ganze auf „modern – plakativen“ Boden zu stellen wird final alles im heute offensichtlich einzig verstandene Maßstab der CO2-Emission pro Kilometer angegeben
In den Links erfahren Sie mehr zum Simulationsmodell und zu den Ergebnissen der einzelnen Dampfzüge, die mittlerweile betrachtet wurden. Nur soviel: Sie finden Schnell- und Personenzüge und Loks verschiedener Bauraten, teilweise sogar gleiche Züge mit unterschiedlichen Loks !
Das Simulationsmodell
Wie ist das Modell aufgebaut:
Das ganze Simulationsmodell basiert auf einem Tabellenkalkulationsprogramm.
Kern des Simulationsmodells sind die 3 Module Zug, Antrieb und Strecke.
Das Modul Zug
Hier werden alle Fahrzeuge so genau wie für die Fahrwiderstandrechnung nötig definiert. Masse, cw-Wert, Sitzplatzanzahl, Lagerbauart und einige Punkte mehr gehen in eine Fahrwiderstandsrechnung ein, wie sie in der Vorlesung von Dr. rer. nat. Peter Spiess (DB Systemtechnik Minden) an der Uni Hannover gelehrt wird. Diese moderne Methode baut auf den Arbeiten von Strahl ff auf und berücksichtigt auch moderne Triebfahrzeuge, wie sie ja in weiteren Varianten dieser Simulation ebenfalls berücksichtigt werden sollen.
Das Modul Antrieb
Im Modul Antrieb werden die im weiteren benötigten Funktionen für den Energieverbrauch ermittelt. Im Falle der Dampflok basiert das auf einer Kreisprozessrechnung der Zylinder für verschiedene Schieberkastendrücke und Füllungen. Bei kleinen Schieberkastendrücken wird dabei die minimale Füllung so hoch angenommen, dass es im Zylinder nicht zu nennenswerter Kondensation kommt mit dem schädlichen Auswaschen des Schmiermittels. Dies ist dann auch die unterste mögliche Leistungsgrenze der jeweligen Maschine, die bei noch geringerem Antriebsbedarf zu „Sägezahnfahrten“ (Beschleunigen – Ausrollen) zwingt. Ein Zustand, der bei Bergabfahrten aufkommt, wo dann bewusst mit minimalem Geschwindigkeitsabbau bergab gerollt werden muss, weil die benötigte Leistung zum Beibehaltung der Geschwindigkeit zu gering ist. Weiterhin werden Kondensationsverluste bei niedrigen Geschwindigkeiten sowie Drosselverluste bei schnellem, hohem Dampfdurchsatz eingerechnet. Final wird in einer „Betriebskurve“ der Lokführer und die durch ihn gewählte Fahrweise (Füllung vs Schieberkastendruck) berücksichtigt. Aus all diesen Größen wird dann eine Funktion für den indizierten Dampfverbrauch als Funktion von Zugkraft und Geschwindigkeit abgeleitet, die dann im folgenden Modul „Strecke“ eingesetzt wird. Für den Kohlenverbrauch ausgehend vom Dampfverbrauch wird im Modul „Antrieb“ auch der Kesselwirkungsgrad als Funktion der Heizfächenbelastung definiert.
Das Modul Strecke
Im Modul Strecke wird dann die Strecke wie folgt definiert:
- Die Bahnhöfe werden mit Abstand und Höhe über NN eingegeben
- zwischen den Bahnhöfen gibt es in der Regel 4 Abschnitte um Beschleunigungen/Verzögerungen dezidiert angeben zu können
- Die Strecke verläuft zwischen den einzelnen Bahnhöfen in einer konstanten Neigung
- Die Strecke ist geradlinig -> keine Krümmungswiderstände
- Der Zug bewegt sich als „Massepunkt“ durch die Strecke
In diesem Modul erfolgt auch die Zugfahrt, in dem zu jedem Bahnhof die Durchfahrtsgeschwindigkeit (Halt = 0km/h), ggf. die Aufenthaltszeit und die Geschwindigkeiten an den einzelnen Zwischenabschnitten angegeben werden. Mit der Wahl der jeweiligen Wunschgeschwindigkeiten an den einzelnen Abschnittsgrenzen errechnet das Modul aus den einzelnen Widerstandsarten von Zug und Triebfahrzeug die jeweiligen Zugkräfte und Leistungen am Haken, an den Tfz-Treibrädern und final am Abtrieb des Antriebs – bei der Dampflok also die benötigte indizierten Werte im Zylinder (Ni, zi).
Mit den Ergebnissen des Moduls Antrieb (indizierter Dampfverbrauch, Zugkraftgrenze (min/max), Leistungsgrenze, Kesselwirkungsgrad, Kesselgrenze) berechnet das Modul Strecke für jeden Streckenabschnitt die Antriebskennwerte, so dass die Geschwindigkeitseingabe diesbezüglich sofort plausibilisiert werden kann.
Final gibt das Modul dann für die einzelnen Abschnitte und die Gesamtstrecke die Fahrzeiten, Dampf- und Kohlenverbräuche aus, wobei auch die Nebenverbräuche wie Zugheizung, Kesselspeisung, Lichtmaschine und der Standverbrauch mit berücksichtigt werden.
Insbesondere die Wahl der Betriebskurve im Modul Antrieb hat großen Einfluss auf den Brennstoffverbrauch. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss von konsequentem Betrieb mit geringster Füllung – so aufwendig dies auch bei der Regelung der Dampfmaschine ist. Kann der Lokführer nun nicht mit geringen Füllungen fahren (Zustand des Fahrwerks und der Lagerungen, Schleuderneigung der Lok, Schienenzustand etc. ) oder war es ihm zu aufwändig „immer am Rad zu drehen“ ging der Verbrauch deutlich über die in der Literatur genannten „Versuchsamt-Verbräuche“ hinaus.
Das Ergebnisse für die Dampftraktion
Auf den folgenden Seiten der einzelnen Zugfahrten werden als Ergebnis der Simulation folgende Daten ausgegeben:
- Das jeweilige Streckenprofil
- Gefahrene Geschwindigkeit
- Indizierte Leistung
- Heizflächenbelastung (im Fahrtverlauf und als Durchschnittswert über der Fahrt)
- Kohlenverbrauch (im Fahrtverlauf, pro 1000km, pro 1Mio tkm)
Aus dem Kohlenverbrauch wird dann mit dem CO2-Äquivalent der Brennstoffe und den jeweiligen Sitzplätzen die CO2-Emission pro Kilometer und Sitzplatz ausgerechnet, eben jener Wert, der aktuell die gesamte Diskussion im Verkehrswesen zu beherrschen scheint.
Ein Quervergleich der Kohlenverbräuche mit den in der Literatur publizierten Brutto-Verbräuchen der Loks in den einzelnen Dienstplänen bzw Dienststellen zeugt davon, dass angesichts hier fehlender „Bw-Verbräuche“ und der hier betrachteten Zugfahrten die Simulationsergebnisse durchaus im richtigen Rahmen liegen. Über Abweichungen zu publizierten Durchschnittswerten und erfahrenen Verbräuchen einzelner Fahrten kann und soll nicht gestritten werden, denn alleine die Rußschicht in den Rohren, der Kesselstein im Kessel und im Vorwärmer sowie die Verhältnisse zwischen Injektor- und Vorwärmerspeisung sowie die Varianz beim Wagenzug (Zustand der Lager, Heizdampfbedarf) werden im Rückblick jede Diskussion fruchtlos enden lassen.
Zudem wurde hier „Grunewalder Normkohle“ mit 7000kcal/kg angenommen (man verzeihe die historische, jedoch in dem Umfeld bestens bekannte, Einheit). Je nachdem, welche Kohle gerade im Tender liegt kann der Verbrauch um +/- 15% oder noch mehr abweichen (nur Steinkohlen!)
(Da wir die Emissionen jedoch über das für Steinkohlen nur wenig schwankende CO2-Äquivalent umgerechnet haben bleibt das CO2-Ergebnis von der Heizwertschwankung der Kohlen unberührt)
In dem Punkt hoffen wir trotzdem nur ähnliche Abweichungen zu haben, wie sie heute zwischen den NEFZ-Verbräuchen von Kraftfahrzeugen und den realen Verbräuchen in Kundenhand bestehen.
Für den Ersteinsatz der Simulation mit den 01-Schnellzügen von Stuttgart nach Nürnberg im Jahresfahrplan 1966/67 konnte das Simulationsmodell für mehrere Fahrweisen an Hand der Erinnerungen eines Stuttgarter 01-Heizers bestätigt werden, wofür ihm großer Dank gebührt. Es war beeindruckend, wie genau sowohl die Absolutwerte als auch die Einflüsse von Wagenzug und vor allem dem Lokführer abgebildet wurden – der „Pulverer“ lebte wieder auf. Doch dazu mehr bei den Ergebnissen zur „01“.
Ergebnisse verschiedener Dampfschnellzüge
Da bei dem Simulationsmodell die Streckenmodellierung ein erheblicher Arbeitsanteil ist haben wir uns bis jetzt auf verschiedene Schnellzüge auf der Strecke Stuttgart – Backnang – Crailsheim – Ansbach – Nürnberg konzentriert:
Diese Strecke, bekannt als „Murrbahn“ hat als schnelle Verbindung zwischen der Württembergischen und der Fränkischen Metropole (und der Weiterführung nach Berlin) lange Tradition. Selbst die „Fliegenden Züge“ der Deutschen Reichsbahn benutzen damals diese kürzeste Verbindung. Noch Ende der 70er-Jahre bot die damalige Bundesbahn ihren Kunden mit BR221 eine Morgenverbindung unter zwei Stunden auf der Strecke an (DC961) – heute, wo „Deutsche Bahn“ Schnellzüge nur mehr über das deutlich längere Remstal fahren lässt, ein auch mir BR101 unerreichter Wert. Auf der Murrbahn fuhren bis Ende der 60er-Jahre 01-Lokomotiven der Betriebswerke Stuttgart, Nürnberg und Hof Schnellzüge mit zum Teil langen Laufwegen. So der hier in seinen verschiedenen Varianten untersuchte D247, der mit streckenweise wechselnder Zugnummer von Straßburg bis Prag durchlief. Die 01 übernahm ihn Nachmittags in Stuttgart und blieb bis Hof vor dem Zug. Wir wollen aber nur den ersten Abschnitt bis Nürnberg anschauen, wo zumindest „der Pulverer“ dringend Wasser fassen musste. Hier nun die einzelnen Züge:
Der D247 und 5 Wagen – Mit Planlok Baureihe 01 mit Wagner-Langrohrkessel
Einer der Standardzüge der 01er ab Stuttgart Ende der 60er-Jahre und ob seiner Fahrzeiten am Nachmittags (Stuttgart ab 15:23, Nürnberg an 17:07) damals oft fotografiert. Unter der Woche fuhr er mit einer kurzen Garnitur aus nur 5 Wagen (Gepäckwagen, 3Bn, 1ABn, Zuggewicht 186t mit Fahrgästen) und war somit für die zu große und schwergängige (Gleitlager!) Lok bei dem entspanntem Fahrplan trotz 1 Minute eingesparter Fahrzeit einfach zu leicht.
Fast immer fuhr die 01 in verbrauchsintensiven Randlagen des Kennfeldes, wodurch die indizierten Dampfverbräuche trotz intensivem „Schwungfahren“ mit forcierten Beschleunigungen auf den jeweils folgenden Steigungsstrecken nur selten 6,6kg/PSih unterschreiten. Oft liegen Verbrauchswerte um 8kg/PSih an, Spitzen gehen noch deutlich darüber hinaus. Durch den leichten Zug und die schwere Lok (genauso schwer wie der Zug...) liegen die effektiven spezifischen Dampfverbräuche nie unter 14kg/PSeh und erreichen bis zu 25kg/Pseh.
Trotz optimalem Fahrtablauf (keine negativen Einflüsse durch zu lange Halte, abzuwartende Verspätungen oder Kreuzung, einen langsamen Zug voraus oder Langsamfahrstellen und rote Signale) und guter Lokbedienung mit Füllungen zwischen 25% und knapp über 30% sowie alleiniger Speisung über den Vorwärmer erreicht die 01 nicht mal annäherungsweise die guten Werte einer modernen, leistungsmäßig passenden Dampflok.
Was da selbst mit der Technik der Deutschen Bahnen möglich gewesen wäre zeigt die folgende Simulation, wo der Zug von einer „Ersatzlok“ gefahren wird.
So eingesetzt verbraucht die 01 zwischen Stuttgart und Nürnberg 2 Tonnen Kohle, wobei ca. 6% für die Wagenheizung enthalten sind.
Trotz dieser nachhaltigen Übermotorisierung des Antriebs erzeugt jeder Reisende in diesem kleinen 01-geführten Dampfzug von 1967 nur eine CO2-Emission von knapp 97g/km, was einem Verbrauch von ca 3,9 liter Kraftstoff/100km entspricht -
Er lag also damals bereits (Dampfbetrieben !) ganz kanpp an von der EU für 2021 vorgeschriebenen CO2-Grenzwert für neue europäische Pkw.
Selbst bei nur 50%-iger Besetzung des Zuges (damals waren höhere Belegungen üblich, bis zu belegten Klappsitzen im Gang, welche bei der CO2-Ermittlung NICHT mitgezählt wurden) wird der reale Verbrauch eines ebenfalls mit 50% besetzten Oberklassewagens auf der Strecke kaum erreicht.
Bei singulärer Betrachtung des „Fetisch-Begriffs CO2“ war somit die deplaziert eingesetzte uralte 01 selbst in Ihrer Ausführung mit dem alten Wagner-Langrohrkessel und Zusatzverbräuchen wie Heizung etc. dem heutigen „modernen“ Individualverkehr bereits vor fast 50 Jahren überlegen.
Dampfzugfahrende Reisenden müssen sich demzufolge auch heute hinsichtlich CO2 keine grauen Haare wachsen lassen, eher schon die mit dem hochmotorisierten SUV nebenher fahrenden „Trainspotter“.
ABER: und das sei ganz klar, auch den CO2-Predigern, gesagt: CO2 ist nicht alles! Zwar dürfte das Spiel bei Feinstaubemissionen ebenso offen sein, aber hinsichtlich Grobstaub, CO und vor allem SO2 kann man Gott sei Dank einen Fortschritt in den Verkehrsformen der letzten 50 Jahre erkennen.
Die ermittelten Werte für den Kohlenverbrauch pro 1000km und pro 1Miotkm bestätigen im Vergleich mit den Verbrauchswerten der Hofer 01 in dem Zeitraum die Simulation im erwarteten Rahmen für den leichten Zug.
Der D247 und 5 Wagen – Mit Ersatzlok BR 23 mit Mischvorwärmer
In der vorherigen Simulation sahen wir, wie unvorteilhaft der Einsatz der schweren 01 unter der Woche bei dem leichten D247 mit nur 5 Wagen (Gepäckwagen, 3Bn, 1ABn, Zuggewicht 186t mit Fahrgästen) war.
Stellen wir uns nun vor, die 01 wird schadhaft und als Ersatzlok steht „nur“ eine dieser „modernen“, gerade nach Crailsheim umbeheimateten 23er mit Mischvorwärmer und Rollenlager zur Verfügung. Und just heute hat auf der im seither P8-dominierten Württemberg nicht immer geliebten Lok ein Personal Dienst, das Zentralamtsqualität und kein Problem mit der doch deutlich anderen Art der neuen Witte-Lok hat. Wie schlägt sich jetzt „die Kleine“ gegen Wagner`s Ross ?
Die sehr leichtläufige Lok (geringes Gewicht, Rollenlager) wäre als Ersatzlok sogar die bessere Wahl gewesen !
Bei dem entspanntem Fahrplan (nur 4 Zwischenhalte/200km) auf der Hügellandstrecke mit idealerweise im Tal liegendem Endbahnhof ist die Lok ausreichend belastet und hat, wie man an den Heizflächenbelastungen und der zum Schluss im Gefällebereich nicht ausgenutzten Höchstgeschwindigkeit sieht, selbst im Winter durchaus noch Reserven. Selbst die Fahrzeiteinsparung von 1 Minute, die die 01 in der vorherigen Simulation erreichte, macht die 23 mit.
Bei optimaler Fahrweise durch das hoch motivierte Personal, erreicht sie mit spezifischen Dampfverbräuchen von im Minimum 6,1kg/PSih und 10kg/PSeh einen Kohlenverbrauch von nur 1,4 Tonnen und somit ca. ½ Tonne weniger wie die in verbrauchsintensiven Randlagen laufende schwere 01 vor dem gleichen Zug. Dabei wurde auch hier mit ca 38kW Heizleistung pro Wagen gerechnet, was einem Dampfverbrauch von ca. 800kg während der Fahrt nur für die Heizung entspricht.
Natürlich wurden auch diesmal (wie bei allen hier durchgeführten Simulationen) keine negativen Einflüsse durch zu lange Halte, abzuwartende Verspätungen oder Kreuzung, einen langsamen Zug voraus oder Langsamfahrstellen und rote Signale eingerechnet. Der Erhaltungszustand der Lok (Dichtigkeiten, Lager,....) ist so gut, dass er dem Personal optimale Betriebsweise mit immer kleinst möglicher Füllung ermöglicht und die Speisung erfolgte nur über den Mischvorwärmer.
Bei diesem Idealzustand (ähnlich NEFZ...) erzeugt jeder Dampf-Schnellzug-Reisende im Winter 1967 eine CO2-Emission von nur 67,2g CO2/km, entsprechend ca 2,7 liter Kraftstoff/100km. Dabei wurden Not-/Klapp-und Ergänzungs-Sitze nicht berücksichtigt, lediglich der Gepäckwagen wurde als „Lastäquivalent“ mit 30 Sitzplätzen eingerechnet.
Für jegliche Diskussionen hinsichtlich Fahrgästen im Zug und im Auto bleibt also genügend Platz.
Nur eines ist sicher: Die beiden Trainspotter in ihrem SUV, mit dem Sie dem Schnellzug hinterherrasen, brauchen auch heute sicher mehr...
Der D247 und 7 Wagen – Baureihe 01 mit 6,8 m Wagner-Langrohrkessel
Bei den letzen beiden Simulationen sahen wir, wie unvorteilhaft „Übermotorisierung“ hinsichtlich Verbrauch ist. Aber auch heute stellt sich so mancher Autokäufer die Frage, ab wann die schönen Worte vom „Downsizing“ - nichts anderes war der Einsatz der „kleinen“ 23 er statt der 01 - nicht mehr gelten. Was passiert, wenn der große Antrieb besser gefordert wird ?
Lassen Sie uns deshalb mal sehen, wie sich unsere unter der Woche unterforderte 01 am Wochende schlug, wenn der D247 einen schwereren Wagenpark mit 2 Wagen mehr hatte – natürlich in der gleichen Fahrzeit.
Auf der „Zotteltour“ durch`s Hohenloher Land hat sie`s immer noch leicht. Deswegen sinken die spezifischen Dampfverbräuche immer noch nicht unter 6,5kg/PSih herunter. Durch den schwereren Zug sinken wenigstens die effektiven Verbräuche (Dampfverbrauch/Zughakenleistung) in dem Einsatz und auf der Strecke auf etwa 12kg/PSeh herunter.
Nur nach den Anfahrten in Crailsheim und in Ansbach überschreitet die Heizflächenbelastung ganz kurz die „Wagnersche Grenze“ von 57kg/m²h. Da diese Spitzen aber so kurz sind, brauchen sie nicht durch eine den Kessel thermisch belastende höhere Verbrennungsleistung erzeugt werden. In dem Fall reicht (was jeder gute Heizer ohnehin in dem Moment macht) eine unterbrochene Speisung aus, um dem Kessel genügend Reserve zu entlocken – vorausgesetzt der Heizer hat davor für ausreichend hohen Wasserstand gesorgt, so dass er den Kessel erst mal „vor sich hin kochen“ lassen kann. Durch die Hügellandchrakteristik kommt am Ende der Fahrt trotzdem nur eine mittlere Heizflächenbelastung von 22kg/m²h zusammen.
Natürlich verbraucht die Lok nun mehr Kohle. Etwa 2,3 Tonnen, also rund 0,3t mehr, gehen laut der Simulation im Winterhalbjahr durch des Heizer`s Hände bis er in Nürnberg von der Lok darf. Aber pro Fahrgast (oder „Normal"-Sitzplatz) sind das nur 79 Gramm CO2 pro km (oder 3,2 Liter/100km um in „Autofahrer´s Sprache“ zu reden) statt 97 Gramm beim 5-Wagenzug in der ersten Simulation. Hier sieht man am ehesten, um wieviel effektiver der Einsatz wird.
Noch kann die nur „gut“ gefahrene 01 den Wert der Mischvorwärmer-23er mit dem Spitzenpersonal beim 5-Wagenzug nicht toppen, kommt ihm aber schon sehr nahe.
Bleibt die Frage, ob „Witte`s Kleine“ bei 7 Wagen auch noch mitgehalten hätte.
Freuen Sie sich auf die nächsten Simulationen – da werden wir zu gegebener Zeit die Frage beantworten.
Der D247 und 7 Wagen – Baureihe 01 mit 6,8 m Wagner-Langrohrkessel und einem "Pulverer" am Regler
Bevor wir nun der Frage des "Downsizing" weiter nachgehen wollen wir erst mal einen auch heute noch durchaus auffindbaren Typus von Fahrzeugbetreiber näher beleuchten:
Es gibt da die Geschichte von einem Lokführer aus einem Betriebswerk im schönen Schwabenland, der es offensichtlich als geborener Herrenfahrer nicht ertrug, auf so etwas banalem wie einer Dampflok eingesetzt zu werden. Voller Missmut (oder war es nur Unfähigkeit ?) traktierte er die arme 01 und seinen noch ärmeren Heizer derart, dass spätestens am ersten Halt in Backnang beide erschöpft waren – der Kessel und der Heizer.
„Mit Wut und ohne Hirn an Steuerung und Regler“ - oder, um die Worten eines alten 01-Heizers des BW Stuttgart zu benutzen; „ Dr' gröschte Pulverer vom ganza Behweh !“.
Die Worte und die Verbrauchswerte sind verbrieft! Er musste selber einmal unter einem derart hirn- und gefühllosen Rechtsaußen leiden.
Im Vergleich zum guten „ Normalbetrieb“ wird deutlich, wie im Vergleich zur vorhergehenden Simulation und unverändertem Fahrzeitablauf der Lokführer sowohl seinen Heizer als auch die Lok und seine Bahnverwaltung zu Tode schinden kann. Wenn es dem Führer zu lästig ist am Rad zu drehen und auf schleudernde Triebwerke zu achten legt er statt dessen die Steuerung immer auf 50..60% und fährt mit gedrosseltem Regler und bezahlt mit spezifischen Verbräuchen nie unter 8,5 kg/PSih. So gehen dann über 3,5 Tonnen Kohle durch die Feuerbüchse – und vorher durch die zunehmend schwieligeren Hände des Heizers.....
Da der enorme und kurzfristige Wasserbedarf des weit oberhalb der Kesselgrenze (siehe rote Linie) betriebenen Kessels dann auch noch teilweise mit dem Injektor gestillt werden muss ist der nächste Wirkungsgradeinbruch vorprogrammiert. In Nürnberg brauchte der Pulverer zwingend einen ausgiebigen Wasserhalt, denn mit seiner Fahrweise hätte es sonst nie bis Hof gereicht.
Und das ganze ohne Mehrleistung!
(Im Gegenteil: Der „Herrenfahrer“ schafft nur knapp die Planzeit, alles andere hätte zum Kollaps von Kessel und Heizer geführt...)
Die für Dampflokverhältnisse trotz der 7 Wagen hohen 122g CO2/km und Fahrgast (fast 5 Liter/100km) zeugen vom sinnlosen Tun des vermeintlichen „Herrenfahrers“. Wie oft hat ihn der Heizer wohl verflucht, als nach erneuter Rampenfahrt weit jenseits der Kesselgrenze der Kessel leer war ?
Spätestens in Fichtenberg muss was nach rechts geflogen sein...
Der D247 und 10 Wagen – Baureihe 01 mit Wagner-Langrohrkessel
Bleiben wir beim nun bekannten D247 und schauen wir ihn im Feiertags-Plan an. Den Pulverer schicken wir in die Werkstatt zum lehrreichen Strafdienst und besetzen unsere 01 wieder mit einem geübten Personal. Denn vor den Feiertagen hatte der D247 oft bis zu 10 Wagen – mit einer 01 und den gleichen Fahrzeiten. Geht das noch ? Und wie effektiv ist sie dann ?
Nun, die Fahrzeiten werden gehalten, allerdings werden einige der kohlesparenden Ausrollphasen etwas kürzer. Es muss also bis zum Bremspunkt auf der deutlich später erreichten Geschwindigkeit geblieben werden.
Langsam wird der D247 auch mit dem gemütlichen Fahrplan so richtig was für die 01 ! Zwar werden trotzdem nur spezifische Verbräuche von 6,5kg/PSih erreicht, aber die effektiven Dampfverbräuche gehen durch den schwereren Zug nun bis auf ca 10 kg/PSih zurück. Das Verbrauchsoptimum der 01 erreichen wir trotzdem nicht, denn wir gehen ja von „nur“ gutem Personal aus und trotz der langsamen Fahrt fährt die Lok doch „zu schnell“ für ihren Bestpunkt, der um ca 60km/h und somit für eine Schnellzuglok zu niedrig lag (siehe: Düring, Th.: Die deutschen Schnellzug-Dampflokomotiven der Einheitsbauart).
An der Heizflächenbelastung sieht man, wie ein gutes Personal zwar auch hier die „Wagner-Grenze“ immer mal wieder kurzfristig überschreiten muss, aber doch ohne große Spitzen bei einer mittleren Heizflächenbelastung von nur 26kg/m²h die Fahrzeit mit dem langen Zug punktgenau einhält.
Der Heizer muss nun an jenem Ostersamstag-Nachmittag fast 3 Tonnen in die Feuerbüchse schaufeln. Wenn er vor Ostern den Pulverer als „Meister“ hatte wird er trotzdem froh gewesen sein.....
Diese fast 3 Tonnen entsprechen nun einer CO2-Emission pro Sitzplatz (und diese Züge waren voll, eher „übervoll“...) von 67Gramm CO2/km oder 2,7Liter/100km.
Bezeichnend ist, dass die 01 erst mit 10 Wagen auf die CO2-Emissionswerte unserer, zugegebenermaßen optimal gefahrenen, leichten Mischvorwärmer-23er mit 5 Wagen kommt, die in der zweiten Simulation als „Ersatzlok“ zum Einsatz kam.
Ob die 23er wohl auch an Ostern durchgehalten hätte ? Schaun'mer mal, sagte ein Bayer...
Der DC961 „Luginsland“ mit Neubaukessel-01
In der Einleitung haben wir schon auf den Starzug „DC961“ der „Deutschen Bundesbahn“ Mitte der 70er-Jahre hingewiesen, mit dem man morgends unter 2 Stunden von Stuttgart nach Nürnberg fahren konnte. Der Zug fuhr damals mit BR221 und musste nach deren Weggang ins Emsland (Öl-44er ersetzen...) durch eine 218er-Doppeltraktion ersetzt werden. Damit dürfte die Traktionsanforderung ausreichend beschrieben sein.....
In den vorherigen Simulationen sahen wir, dass die 01 in den 60er-Jahre-Schnellzügen meist wenig ausgelastet war. Wäre sie nun in der Lage in ihrer besten Form, als Neubaukessel-Lok mit Mischvorwärmer und Rollenlager, den „DC961-Luginsland“ auch zu befördern ?
Das wäre mit Dampf immerhin schneller wie man im Jahre 2014 mit BR101 von Stuttgart nach Nürnberg kommt....
Und, was wetten Sie ? Hier kommt die Lösung (aus der Simulation):
Sie schafft es, sogar mit 1 Minute Zeitreserve, obwohl ihr auf den Streckenteilen nahe Stuttgart und Nürnberg gegenüber der V200.1 10km/h Höchstgeschwindigkeit fehlen. Sie muss zwar die Kesselgrenze von 75kg/m²h teilweise um ca 10..15% überschreiten, aber nur in kurzen Momenten, die aus der Kesselreserve abgedeckt werden können. Über den gesamten Zuglauf wird der Kessel nur mit 40kg/m²h ausgelastet.
Allerdings wäre es ohne den Streckenausbau mit den erhöhten Höchstgeschwindigkeiten im Vergleich zu den 60er-Jahre-Schnellzügen nicht gegangen.
Mit spezifischen Dampfverbräuchen von ca 6,3kg/PSih und 13,5kg/PSeh läuft die Lok deutlich effektiver wie bei allen D247-Simulationen. Etwa 2,2 Tonnen Kohle wären im Winterhalbjahr notwendig, um den Fahrgästen eine Leistung zu bieten, die sie heute bei „DeutscheBahn“ nicht kaufen können. Trotz des kurzen Hochleistungszuges fallen nur 91Gramm CO2/km und Nenn-Sitzplatz an, weniger wie beim 5-Wagen-Schnellzug D247 mit seiner 6,8m-Altbaukessel-01 und dem langsamen Fahrplan ! Das ist eigentlich das Erstaunliche. Nur 140kg mehr Kohle und pro Fahrgast sogar weniger CO2-Emission beim 2-Stunden-Schnellzug in Verbindung mit einer „getunten“ 2-Zylinder 01. Man stelle sich eine artreine Neubaukessel-01-Gruppe in den Bahnbetriebswerken Nürnberg, Crailsheim oder Stuttgart vor... alles weitere in den Träumen eines jeden einzelnen...
Baurath Georg Kurtz